Ich "jogge" nicht, ich "walke" nicht, ich radle
Als ich so mit 50 erste Probleme in Knie und Rücken bekam, und auch von nächtlichem Herzrasen geplagt wurde, suchte ich nach einer passenden sportlichen Betätigung, um Stress ab- und Muskulatur wieder aufzubauen. Ich wollte auch nicht als joggender oder nordicwalkender Opa durch die Landschaft keuchen, zumal ich meine schon lädierten Kniegelenke nicht zusätzlich belasten wollte. So kam ich nach mehr als 30 Jahren Abstinenz fast zwangsläufig wieder auf das Fahrrad. Jetzt mit 74 lässt meine Kondition zwar schon etwas nach, aber sofern das Wetter passt, sind 100 Kilometer in der Woche noch drin, wohlgemerkt ohne Hilfsmotor.
Ich halte es für sinnvoll, die körperliche (und geistige) Kondition möglichst lange zu erhalten, um nicht unnötig früh zum Pflegefall zu werden. Dazu muss ich mich notwendigerweise auch sportlich betätigen.
Joggen belastet die Gelenke, "Nordic Walking" bringt nicht viel und sieht auch noch bescheuert aus. Also kam ich nach 40 Jahren Pause fast zwangsläufig wieder zum Radfahren. Als "Radsportler" will ich mich natürlich nicht bezeichnen, aber nachdem ich anfangs noch mein schlechtes Gewissen bemühen mußte, um regelmäßig in die Pedalen zu treten, ist mir das Radfahren inzwischen schon zum Bedürfnis geworden. Die anfängliche Musikberieselung schaffte ich bald wieder ab, nachdem ich merkte, dass man beim Radfahren auch wunderbar ohne Musik "meditieren" kann. Das führte gelegentlich auch schon dazu, daß ich "Abkotz"-Steigungen hochfuhr, ohne die Anstrengung bewusst zu registrieren. War das schon der "Flow", oder beginnende Demenz? 😁
Auf FOCUS habe ich kürzlich den "Flamingo-Test" entdeckt und ausprobiert, allerdings nach einer Minute abgebrochen. Dass meine Beinmuskulatur und mein Gleichgewichtssinn noch gut sind, hat vermutlich auch etwas mit dem Radfahren zu tun.
Radfahren macht mehr Spaß als Rollator schieben
Der Wechsel vom (mehr oder weniger) bewegungsintensiven Arbeitsleben zum vergleichsweise gemütlichen Rentnerdasein hat üblicherweise auch eine deutliche Bewegungsreduzierung zur Folge, was zum Abbau von Muskeln und Knochenstabilität führt. Wenn man dann das gewohnte Essverhalten (Menge und Kalorien) beibehält, führt das zwangsweise zu Übergewicht, das wiederum die Gelenke zusätzlich belastet. Das sind oftmals auch die Auslöser anderer Altersbeschwerden, und letztlich der "Anfang vom Ende".
Ein beratungsresistenter Nachbar, der gezwungenermaßen nur den Weg zwischen Wohnung und Garage zu Fuß ging, und dabei seinen Weg mit einer Nikotin-Duftspur markierte, lief schon aufgrund seines Muskelschwundes zunehmend schlechter. Seine gesundheitlichen Probleme hielt er für gottgegeben, und erwartete Mitgefühl. Kürzlich ist er erwartungsgemäß "von uns gegangen".
Anscheinend werden aber auch viele junge Menschen zunehmend bewegungsfauler. In der Hofer Volkshochschule beobachte ich vor dem Fahrstuhl stets geduldig wartende junge Menschen (mit und ohne Migrationshintergrund), die nie auf die Idee kämen, die Treppe zu benutzen. Sie warten lieber 3 Minuten auf den Fahrstuhl, als in einer halben Minute die zwei Stockwerke hochzugehen.
Neulich stieg eine "vollschlanke", aber nicht körperlich behinderte junge Frau in den Bus ein, auf den sie mit mir mindestens 5 Minuten gewartet hatte, um schon an der nächsten Haltestelle wieder auszusteigen. Zu Fuß hätte sie die Strecke ohne große Anstrengung in zwei Minuten zurücklegen können.
Was sollte man also tun, um gesund zu bleiben? Als Grundregel galt bisher 10.000 Schritte am Tag. So lautet die Empfehlung der WHO. In Großbritannien warnte die Institution "Public Health England" (PHE) in einer neuen Untersuchung nun davor, sich allein mit Spaziergängen zufriedenzugeben, und resümierte, dass Übungen zu Muskel- und Knochenstärkung und Gleichgewichtsübungen nicht vernachlässigt werden dürfen, wenn man fit bleiben will.
Auch ich schaffe diese Schrittzahl nur selten. Als notwendig werden derzeit mindestens zwei "Work-outs" mit Kraft- und Gleichgewichtsübungen pro Woche empfohlen, um den Kreislauf zu stärken. Die absolviere ich vorzugsweise mit dem Rad. Für gesundheitliche Effekte sollte man sich dann aber schon etwa eine Stunde anstrengen. Mit 30 Lebensjahren ist schon der Höhepunkt der Muskelbildung erreicht, von da an gehts wieder "bergab". Wer weder körperlich arbeitet, noch Sport treibt, wandelt schon vor dem 40. Lebensjahr zunehmend Muskelmasse in Fett um. Bei älteren Menschen erhöht sich das Sturzrisiko infolge geschwächter Muskelkraft. Rollator und Rollstuhl sind dann logischerweise vorprogrammiert.
Ein dickbäuchiger dünnbeiniger Rollator-Schieber zu werden, war keine erstrebenswerte Perspektive. Wann immer möglich, lasse ich das Auto stehen, und gehe zu Fuß. Die Einkaufstaschen trage ich auch zu Fuß nach Hause, Fahrstühle benutze ich nur bei mehr als 4 Stockwerken. Auch das ist Belastungstraining. Um das Gleichgewicht zu trainieren, ziehe ich meine Socken und Schuhe im Stehen an. Das ist mein kostenloses "Fitness-Studio".
Trainingsplan
Ohne regelmäßige Belastungsreize bauen sich Muskeln und Knochen sehr schnell ab. Schon wenn ich wetterbedingt mit meinem Training eine Woche aussetze, verschlechtert sich meine Kondition spürbar. Wer Muskeln aufbauen will, sollte also schon zweimal pro Woche trainieren, nach einer intensiveren Trainingseinheit aber immer einen Ruhetag einhalten. Ich fahre in der Woche etwa 100 km, jeweils am Stück mindestens 20 km. Auf meiner 50 km-Strecke, die einen Höhenunterschied von nur 160 Metern aufweist, summieren sich alle Anstiege auf immerhin 650 Höhenmeter. Im Flachland müsste ich für einen vergleichbaren Trainingseffekt mindestens die doppelte Strecke radeln. Meine früheren Knie- und Rückenprobleme haben sich inzwischen deutlich gebessert.
Tempo
Mein Fahrtempo richte ich immer nach der Anzeige meines Pulsmessers, wobei ich versuche, meinen persönlichen Maximalpuls nicht (oder nur kurz) zu überschreiten. Wenn man seine Kondition verbessern möchte, sollte man aber auch nicht mit einer zu geringen Belastung fahren. Dieses optimale Tempo ist üblicherweise nicht realisierbar, wenn man in einer Gruppe mit Leuten fährt, deren Kondition besser oder schlechter ist. Wie man seinen optimalen Belastungsbereich (MIN- und MAX-Werte) ermittelt - darüber gibt's genügend Anleitungen im Internet. Inzwischen spüre ich auch schon ohne ständigen Blick auf den Pulsmesser, wenn ich mich meinem MAX-Wert nähere. Wer Medikamente einnimmt, die auch die Pulsfrequenz beeinflussen (z.B. Betablocker), sollte seine Belastungsgrenzen mit dem Arzt abklären.
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